Vertrauen als Königsweg in der Führung

Wir alle wissen es: Vertrauen gilt als etwas Kostbares und ist das Fundament jeder guten Beziehung. Stimmt die Vertrauensbasis, lassen sich Herausforderungen und Probleme besser im Sinne aller Beteiligten lösen. Der bekannte deutsche Soziologe und Systemtheoretiker Niklas Luhmann beschreibt Vertrauen als „elementaren Tatbestand des sozialen Lebens“. Vertrauen verpflichtet und bindet. Vertrauen ist grundlegend, hochwirksam, kraftvoll und in vielen Bereichen unseres Lebens greifend.

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Leider zeigen jährliche Umfragen wie zum Beispiel diejenigen des Edelman Trust Barometers, dass die Erosion des Vertrauens in der Gesellschaft und Arbeitswelt seit einigen Jahren fortschreitet. Vor dem Hintergrund zunehmender populistischer Bewegungen in Europa, des politischen Ungleichgewichts und der wirtschaftlichen Krise breitet sich auf der ganzen Welt ein Misstrauen gegenüber den politischen Systemen, den gesellschaftlichen Institutionen und ebenso gegenüber dem Topmanagement aus. Zudem hat die Corona-Pandemie Angst und Unsicherheit bei den Mitarbeitenden erzeugt und außergewöhnliche Anforderungen an die Führungskräfte gestellt. Die Arbeit im Homeoffice wurde für viele Organisationen über Nacht die neue Normalität. Unternehmen, welche bereits vor der COVID-Krise auf Vertrauen bauten, gelang auch die Führung auf Distanz. Wo eine ausgeprägte Präsenz- und Kontrollkultur vorherrschte und Anwesenheit am Arbeitsplatz nach wie vor der Maßstab für Leistung und Effizienz bedeutete, hatten etliche Führungskräfte angesichts der neuen Situation Angst vor Macht- und Kontrollverlust.

In der heutigen, von Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität geprägten Welt ist es jedoch kaum noch möglich, eine Organisation oder ein Team über Macht und Kontrolle zu führen. In Zeiten des Wandels ist Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Umgang mit Veränderungen.

Vertrauensbildung als emotionaler Prozess

Vertrauen zeigt sich in vielen Facetten: Wir sprechen von Selbst-vertrauen, Zu-trauen, An-vertrauen, aber auch von Miss-trauen. Vertrauen als Konzept ist schwer fassbar und wird unterschiedlich interpretiert, denn Vertrauen ist keine rationale Überlegung, sondern ein Gefühl. Vertrauen entsteht, wenn wir unser eigenes, persönliches Werteverständnis im Gegenüber wiederfinden und wir positive Erfahrungen machen. Vertrauensbildung ist zudem ein sensibler Prozess. Anderen zu vertrauen, beinhaltet die Bereitschaft, sich aktiv verletzlich, gar verwundbar zu machen. Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von einer „riskanten Vorleistung“. Vertrauen bezieht sich auf eine kritische Alternative, in der der Schaden im Falle eines Vertrauensbruchs größer sein kann als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird. Vertrauen ist schwer aufzubauen und leicht zu zerstören.

Vertrauen als bewusste Führungsentscheidung

Vertrauen fällt Ihnen nicht einfach so in den Schoß und kann nicht auf Knopfdruck eingefordert werden. Und Vertrauen ist keine Stetigkeitserwartung, sondern eine bewusste Entscheidung in Unsicherheit, die Sie als Führungskraft treffen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden sowie Kolleginnen und Kollegen nicht vertrauen, müssen Sie entweder alles selbst machen oder verbringen viel Zeit mit Kontrolle. Wenn Sie vertrauen, können Sie mehr delegieren und müssen weniger kontrollieren. Dadurch sparen Sie Zeit und Energie. Dieser Hebeleffekt des Vertrauens macht eine arbeitsteilige Gesellschaft mit spezialisierten Berufen erst möglich. In der heutigen digitalisierten und vernetzen Arbeitswelt werden zudem Kooperation und Kollaboration immer wichtiger. Das setzt ein „Wir-Gefühl“ und Gegenseitigkeit voraus: Vertrauen schenken und Vertrauen erhalten.

Vertrauen – das Schmieröl einer Organisation

Je unruhiger und agiler Arbeitsverhältnisse werden, desto wichtiger wird Vertrauen, das die Menschen im Unternehmen zusammenarbeiten lässt und zusammenhält. Gemäß dem bekannten Führungsexperten Reinhard Sprenger ist Vertrauen das Schmieröl einer Organisation. Nichts macht ein Unternehmen so schnell wie Vertrauen. Reinhard Sprenger bringt es mit folgender Aussage auf den Punkt:

„Vertrauen leistet mehr als die Steuerungsmittel Macht und Geld. Es sichert mehr als jede Sicherungsmaßnahme. Es kontrolliert effektiver als jedes Kontrollsystem. Es schafft mehr Werte als jedes wertsteigernde Managementkonzept. Es ist der alles entscheidende Wettbewerbsvorteil auf schnellen Märkten. Deshalb sollte Vertrauen das grundlegende Organisationsprinzip von Unternehmen sein.“

Erfolgreiche Organisationen brauchen Führungskräfte, die eine auf Vertrauen und Empowerment basierende Kultur pflegen und ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, sich selbst zu steuern und täglich zu lernen. Rigide Vorgaben, unnötige Kontrolle und Misstrauen sind in einer modernen, menschlichen Arbeitswelt nicht mehr dienlich.Formularbeginn

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