Selbstführung - Die Weisheit des Universums liegt in uns selbst

Der Weg zu menschlicher Führung fängt zuerst bei uns selbst an. Die bewusste Entwicklung unserer Selbstführungskompetenz hilft uns, uns selbst «auf die Schliche zu kommen». Sie hilft uns auch, innere und äussere Stabilität und Stärke zu erlangen. Sich selbst bewusst führen zu können, stärkt unser Selbstvertrauen und die Fähigkeit zur Selbstverantwortung und Entscheidungskompetenz. Die Reflexion der eigenen Person und Führungsrolle ist der gesunde Nährboden für menschliche Führung. Eine erhöhte Reflexionsfähigkeit und Selbstkompetenz der Führungskräfte eines Unternehmens haben das Potenzial, dass eine menschliche Kultur des Vertrauens und Miteinanders entstehen kann.

Selbstkompetenz als Fundament guter Führung


Bestimmt haben Sie in Ihrer Karriere einige Führungsseminare besucht und wertvolle Tools kennengelernt. Mit der Aneignung von Führungswissen allein ist es jedoch nicht getan, um erfolgreich und vor allem menschlich zu führen. Die Hauptursache, weshalb viele Führungstrainings nicht nachhaltig funktionieren, liegt darin begründet, dass Führungskräfte die Lösungen für Führungsfragen vor allem im Aussen suchen, statt sich im Inneren mit den eigenen Mustern und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Wenn Sie sich selbst als Menschen nicht wahrnehmen und reflektieren, werden Sie früher oder später trotz all der wunderbaren Führungstools und -techniken wieder in die alten Gewohnheiten Ihrer Denk- und Verhaltensmuster zurückfallen. Sich als Führungskraft zu entwickeln, funktioniert nur von innen nach aussen.

In vielen meiner Führungscoachings lautet am Anfang das Coaching-Ziel etwa so: «Verbesserung der Führungsstärke», «Verbesserung des Durchsetzungs- oder Entscheidungsvermögens» oder «Verbesserung der Auftrittskompetenz». In den Coaching-Sessions zeigt sich meistens sehr früh, dass es in aller Regel zunächst um Selbstzweifel, hindernde Glaubenssätze, unterdrückte Bedürfnisse, Emotionen und Wertekonflikte geht – um ganz grundlegende menschliche Fragestellungen also. Und das ist auch gut so. Führungskräfte sind keine Roboter oder unfehlbaren Götter, sondern Menschen mit Bedürfnissen und Emotionen – Nur manchmal sind die eben hinter einem schweren Panzer versteckt und müssen zuerst hervorgeholt werden.

Die Reise zu sich selbst


Oftmals haben meine Coaching-Kundinnen und -Kunden auf meine Fragen wie «Wer sind Sie?», «Was macht Sie aus?», «Wofür stehen Sie täglich auf?» oder «Wofür stehen Sie ein?» kaum eine klare Antwort und winden sich. Andere listen wie aus der Pistole geschossen ihre Stärken und Schwächen auf oder erzählen mir ihren beruflichen Werdegang in aller Ausführlichkeit. Mit meinen Fragen löse ich bei meinen Coachees bereits einen wichtigen Prozess aus: Die Erkenntnis, dass sie sich gar nicht so gut kennen. Das ist jeweils ein guter Ausgangspunkt für meine Coachees, die Reise zu sich selbst anzutreten und an ihrer Selbstkompetenz zu arbeiten.

Dazu eine schöne Geschichte aus der Mythologie:
Vor langer Zeit überlegten die Götter, dass es höchst unglücklich wäre, wenn die Menschen die Weisheit des Universums finden würden, bevor sie reif genug dafür wären. Also entschieden die Götter, die Weisheit des Universums so lange an einem Ort zu verstecken, der schwierig zu finden wäre und erst gefunden werden könnte, wenn sie reif genug sein würden. 

Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die Götter, dass die Menschen bald alle Berge erklimmen würden und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre. Ein anderer machte den Vorschlag, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch da sahen die Götter die Gefahr, dass die Menschen die Weisheit zu früh finden würden. Dann äusserte der weiseste aller Götter seinen wohlüberlegten Vorschlag: «Lasst uns die Weisheit des Universums im Menschen selbst verstecken. Er wird dann an diesem Ort danach suchen, wenn er reif genug ist. Denn er muss dazu den Weg in sein Inneres gehen.»

Die anderen Götter waren begeistert von dieser Idee und so versteckten sie die Weisheit des Universums im Menschen selbst. 

Nachhaltige Selbstführung in drei Stufen

Selbstführung erfordert eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst, sowohl mit den Sonnen- wie auch den Schattenseiten. Sie beginnt mit Selbstreflexion, indem wir uns fragen, was uns Sinn im Leben und in der Arbeit gibt, was uns antreibt und wonach wir streben. Was gibt mir Motivation und Energie? Welches sind meine Bedürfnisse? Welche Aspekte meiner (Führungs-) Arbeit bereiten mir Freude? 

Der zweite Schritt zur nachhaltigen Selbstführung ist die Selbsterkenntnis. Selbsterkenntnis bedeutet, sich selbst zu lesen und seine Emotionen und Auslöser in verschiedenen Situationen zu beobachten und zu verstehen. Zu erkennen, wer wir wirklich sind, ist oft ein langer, teils schmerzhafter Prozess. Nicht selten bedeutet es, dass wir einen Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild vornehmen. Selbsterkenntnis ist essenziell, um uns weiterentwickeln zu können: keine Persönlichkeitsentwicklung ohne Selbsterkenntnis.

Der letzte Schritt zu einer nachhaltigen Selbstführung besteht darin, die Art und Weise, wie wir uns selbst führen, tatsächlich zu verändern. Das funktioniert, indem wir unsere Veränderungsvorhaben in konkrete Schritte in unserem Führungs- und Arbeitsalltag übersetzen. Was werde ich in Stresssituationen anders machen? Welche Grenzen werde ich für mich selbst oder andere setzen? Welche neuen Gewohnheiten werde ich anwenden? Oftmals sind es kleine Schritte, welche als Katalysatoren für positive Veränderungen wirken und neue Muster nachhaltiger Selbstführung schaffen, die unser eigenes Wohlbefinden und unser Führungsverhalten positiv stärken.

Die Entdeckungsreise zu sich selbst ist der Ausgangspunkt und das Fundament menschlicher Führung. Je besser Sie sich kennen, umso mehr können Sie an sich arbeiten, für Sie oder andere unangenehme Gewohnheiten abstellen und Ihre Stärken ausbauen. Wenn Sie in sich selbst investieren und sich bewusst selbst reflektieren, werden Sie sich als Mensch und Führungskraft viel besser verstehen. Je besser Sie sich selbst als Mensch kennen, je grösser das Vertrauen in Sie selbst und Ihre Kompetenzen ist, desto lust- und kraftvoller können Sie andere Menschen führen. Einige Unternehmen haben die Bedeutung der Selbstreflexion in der Führung bereits erkannt.

Raum und Zeit für Selbstreflexion als essenzielle Investition


Nun mögen Sie dazu vielleicht entgegnen, dass Sie in der Hektik des Führungsalltags keine Zeit haben. Dazu habe ich folgende Antwort: Sie allein bestimmen, für welche Dinge Sie Ihre Zeit einsetzen. Es ist und bleibt Ihre ganz eigene Entscheidung, ob Sie Ihr persönliches Wachstum als wertvoll genug erachten, Zeit und Energie dafür einzusetzen. Erlauben Sie mir jedoch folgende Fragen für eine erste Reflexion: Was hat bei Ihnen mehr Priorität als Sie selbst? Weshalb investieren Sie mehr in andere Dinge als das Wichtigste überhaupt – Ihre eigene Person? 

Sie benötigen inmitten der operativen Betriebsamkeit Ihrer Führungstätigkeit genügend Raum und Zeit zum Innehalten und um den Blick nach innen zu wenden und mit Ihnen selbst in Kontakt zu kommen. Wenn Sie bereit sind und sich bewusst Zeit für die Reflexion und Entwicklung Ihrer Selbstkompetenz nehmen, haben Sie einen ersten bedeutenden Schritt zu menschlicher Führung getan: Sie zeigen Wertschätzung und Menschlichkeit sich selbst gegenüber.

Lesen Sie mehr zum Thema Mindset in meinem neuen Buch «Menschlichkeit in der Führung».