Positive Leadership – mehr als eine Managementqualität

Was braucht es, damit Mitarbeitende nicht einfach nur «funktionieren», sondern ihr volles Potenzial entfalten? Gute Managementqualitäten reichen nicht aus, wenn Sie motivierend führen und Ihre Mitarbeitenden zu einem High-Performance-Team entwickeln möchten. Sie benötigen Positive Leadership als Führungskompetenz. Positive Leadership schafft ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende motiviert sind, ihre Stärken und ihr Potenzial auszuleben und weiterzuentwickeln, sich wertgeschätzt fühlen, sich mit ihren Aufgaben identifizieren und sich proaktiv einbringen können. Führungskräfte mit Positive Leadership Kompetenzen setzen sich mit denjenigen Aspekten auseinander, die Potenziale von Individuen, Teams und Organisationen entfalten. Sie begegnen ihren Mitarbeitenden als «ganze» Menschen und halten den Raum für ihre Stärken und Ressourcen.

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Positive Leadership basiert auf den Erkenntnissen und Grundprinzipien der Positiven Psychologie. Als bedeutender wissenschaftlicher Ansatz fokussiert sie auf das, was funktioniert, und setzt damit ein Gegengewicht zum traditionellen Fokus auf Schwächen und Defizite.

Positive Psychologie als Quelle

Die Positive Psychologie ist als Wissenschaft vom gelingenden und erfüllten Leben eine der jüngsten und neuesten Forschungsgebiete der Psychologie und die erste wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Frage befasst, wie das psychische Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung von Menschen unterstützt und gefördert werden kann. Sie ergänzt mit ihren Studien und Forschungsergebnissen die klassische Psychologie mit Diagnosemöglichkeiten, Techniken und Interventionen, die wissenschaftlich fundiert und für Menschen in alltäglichen Lebenssituationen dienlich sind. Ausgangspunkt dieser Wissenschaftsdisziplin ist vor allem die Humanistische Psychologie, deren Wurzeln im Humanismus Existenzialismus begründet sind. Wichtige Vertreter der Humanistischen Psychologie waren Abraham Maslow und Carl Rogers, die den Menschen als gesunde, sich selbst entwickelnde Persönlichkeit betrachteten. Die Humanistische Psychologie basierte auf den Grundannahmen, dass der Mensch mehr ist als die Summe seiner Teile, in zwischenmenschlichen Beziehungen lebt, ein bewusstes Leben führt, seine Wahrnehmung schärfen kann, intentional ist und entscheiden kann. Die auf dem humanistischen Menschenbild basierenden Erkenntnissen prägten viele Wissenschaftsgebiete wie die Pädagogik, die Soziologie und auch die Medizin.

Auf der Suche nach dem gelingenden Leben

Die Suche nach einem gelingenden, positiven Leben hat Menschen über viele Epochen hinweg und in vielen Kulturen beschäftigt und reicht zurück bis zu den antiken Philosophen. So finden sich bereits in den philosophischen Schriften von Aristoteles bedeutende Gedanken über Glück (Eudaimonie), Sinn und Tugenden des Menschen. Aristoteles war der Überzeugung, dass nicht nur die Entwicklung von eigenen Charakterstärken und Tugenden zu Glück und Wohlbefinden führt, sondern auch deren Einsatz für anderen Menschen oder einen höheren Zweck. Er betonte ebenfalls das Prinzip der Selbstwirksamkeit.

Vor allem in der englischsprachigen Fachliteratur wird als Begründer und Pionier der Positiven Psychologie der amerikanische Psychologe Martin Seligman erwähnt. Korrekterweise müsste jedoch der österreichische Psychiater und Neurologe Viktor E. Frankl als Urvater bezeichnet werden. Frankl verlor seine ganze Familie wie auch seine Ehefrau im Konzentrationslager. Als Überlebender des KZ Türkheim wurde er bekannt durch sein Buch „Über den Sinn des Lebens“, in welchem er seine Erlebnisse eindrücklich schilderte. Er zeigte auf, dass es möglich ist, unter den unmenschlichsten Bedingungen einen Sinn im Leben zu sehen. Viktor E. Frankl war Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse und war mit seinen Werken ein wichtiger Wegbereiter der Positiven Psychologie. Ihm wird folgendes Zitat zugeschrieben, welches den Grundgedanken der Positiven Psychologie in Bezug auf individuelle Eigenverantwortung und Selbstaktualisierung sehr gut auf den Punkt bringt:

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Möglichkeit, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“ Viktor Frankl

Martin Seligman forderte in seiner Antrittsrede – als er 1998 zum Präsidenten der Amerikanischen Psychologen-Vereinigung (APA) gewählt wurde – dass sich die Psychologie in Zukunft mit der Erforschung des Positiven, namentlich positiven Eigenschaften, Emotionen und Beziehungen befassen müsse. Er rief dazu auf, sich mit den positiven Aspekten des Menschseins – Optimismus, Mut, Zuversicht, Freude, Vertrauen, Glück, Geborgenheit etc. – zu befassen. Er gründete mehrere Forschungsgruppen und ein Netzwerk an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um die Forschung im Bereich der positiven Psychologie voranzutreiben. Seligman hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Thema Glück und Wohlbefinden aus der Ecke der Esoterik in ein wissenschaftliches Forschungsfeld gehoben wurde und hat damit einen sehr grossen Anteil an der Entwicklung eines neuen Paradigmas. Wie er selbst in seinem neuen Buch schreibt, hat er mit seiner Forschungsarbeit eine „tektonische Plattenverschiebung“ in der Psychologie ausgelöst.

Positive Leadership – PERMA Lead

In seiner Theorie zum gelingenden Leben beschreibt Seligman fünf Säulen, die dem englischen Akronym PERMA entsprechen. Es handelt sich hierbei um fünf grundlegende Aspekte des Wohlbefindens, welche die Menschen um ihrer selbst willen verfolgen. Der Wirtschafts- und Organisationspsychologe Markus Ebner hat auf dieser Basis das sogenannte PERMA-Lead Modell entwickelt, welches darauf ausgerichtet ist, ein Arbeitsklima zu schaffen, das die Stärken und Talente der Mitarbeitenden fördert und ihnen ermöglicht, ihr Potenzial entfalten zu können.

  • Positive Emotions– Positive Emotionen ermöglichen

Positive Gefühle stärken das Wohlbefinden, erweitern die Wahrnehmung und führen zu Ressourcenaufbau. Positive Gefühle können wir im Hier und Jetzt erleben, wie zum Beispiel ein Vergnügen oder eine Belohnung. Sie können sich aber auch auf die Vergangenheit beziehen, wenn wir uns beispielsweise dankbar zeigen. Positive Gefühle können auch in die Zukunft gerichtet sein wie die Gefühle von Hoffnung und Zuversicht.

Führungskräfte mit dieser Kompetenz verfügen über eine positive Grundhaltung und richten auch in schwierigen Situationen ihren Fokus auf das, was gut funktioniert. Sie schaffen Rahmenbedingungen, die leistungsfördernd sind und zeigen durch kleine Interventionen und Aufmerksamkeiten, dass ihnen das Wohl ihrer Mitarbeitenden wichtig ist (Wertschätzung, Lob, Fokus auf Stärken/Ressourcen)

  • Engagement – Individuelles Engagement fördern

Bei diesem Aspekt geht es darum, dass wir in einen Flow kommen können, wenn wir hoch einnehmenden und fesselnden Aktivitäten nachgehen – wobei der Grad des Engagements sehr subjektiv ist. Ein Gleichgewicht zwischen Herausforderung und Fähigkeiten führt zu Flow und damit zu Höchstleistungen.

Ein:e Positive Leader:in erkennt die Stärken und das Potenzial der Mitarbeitenden, überträgt ihnen Verantwortung für Aufgaben, die ihren individuellen Stärken entsprechen, und unterstützt sie dabei, diese zu erkennen und weiterzuentwickeln. Positive Leader:innen geben Leitplanken vor, innerhalb derer Mitarbeitende autonom entscheiden können. Sie schaffen eine Kultur des Ausprobierens und Lernens, wo auch Fehler zulässig sind.

  • Relationships – Tragfähige Beziehungen schaffen

Soziale Verbundenheit gehört zu einem der bedeutsamsten Aspekte des Lebens. Gesunde Menschen suchen aktiv nach emotionalen und physischen Beziehungen. Tragfähige soziale Verbindungen können eine Quelle der Freude sein und insbesondere in schwierigen Zeiten Halt geben. Wenn wir Freude, Erfolg oder auch unser Leid mit anderen Menschen teilen können, trägt dies zu unserem Wohlbefinden bei.

Führungskräfte mit dieser Kompetenz achten bewusst auf regelmässige persönliche Interaktionen im Team. Sie zeigen Interesse an den persönlichen Themen ihrer Mitarbeitenden und sorgen dafür, dass sich Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen besser kennen lernen. Sie ermöglichen eine offene, konstruktive Gesprächs- und Konfliktkultur, schaffen psychologische Sicherheit, und sorgen dafür, dass sich die Mitarbeitenden im Team gegenseitig unterstützen.

  • Meaning – Sinn in der Arbeit vermitteln

Sinnhaftigkeit besteht darin, dass das eigene Handeln einem höheren Zweck beziehungsweise einer grösseren Sache dient. Sinngebend kann für einen Menschen zum Beispiel sein, wenn er seine eigenen Stärken für andere Menschen einsetzt oder sich aktiv für eine Sache engagiert, die grösser ist als das Selbst.

Ein:e Positive Leader:in vermittelt Sinn in der Arbeit, zeigt ihren Mitarbeitenden auf, wozu ihre Arbeit und ihr Engagement wichtig sind. Positive Leader:innen fragen  nach, ob ihre Entscheidungen und Handlungen nachvollziehbar sind und haben ein offenes Ohr für Anliegen und Fragen. Damit schaffen sie (Ziel-)Orientierung, stärken die Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit und schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit.

  • Accomplishment – Erfolge sichtbar machen

Beim Erfolg geht es um die Zielerreichung durch Leistung und Können, die wir ebenfalls um unserer selbst willen verfolgen. Bei diesem Aspekt geht es darum, expliziten Zielen im Leben nachzugehen und sich weiterzuentwickeln. Ebenso geht es um das Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Positive Leader:innen legen Ziele gemeinsam fest und achten auf deren Klarheit und Erreichbarkeit. Sie geben positives Feedback, wenn Ziele individuell und gemeinsam erreicht wurden, und machen Erreichtes öffentlich sichtbar. Dies steigert das Selbstwertgefühl, die Zufriedenheit sowie den Teamspirit.

Positive Leadership reduziert nachweislich Stress und Burnout, steigert die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit sowie Leistungsbereitschaft. Studien zeigen, dass sich Mitarbeitende in einer Positive Leadership Kultur flexibel und kooperativ verhalten, sich auch bei Veränderungen besser anpassen können und Commitment zeigen.

Erfahren Sie mehr darüber in meinem neuen Buch «Menschlichkeit in der Führung».