Emotionale Führung als Erfolgsfaktor

Als Führungskräfte kommen wir immer wieder in Situationen, in denen wir selbst oder unser Gegenüber positive oder negative Emotionen wie Freude und Leidenschaft beziehungsweise Verärgerung oder Enttäuschung erleben. Ein hoher Anteil unserer Kommunikation und Entscheidungen wird von Emotionen beeinflusst und verarbeitet. Dennoch fällt es vielen von uns nach wie vor schwer, angemessen mit Emotionen umzugehen. Rasch gelangen wir zu dem Urteil, dass Emotionalität unprofessionell ist oder gar einen manipulativen Charakter hat. Dabei sind emotionale Intelligenz und die Fähigkeit zur Empathie mindestens genauso wichtig wie fachliche Expertise.

Emotionen als wichtige Wegweiser

In unseren Breitengraden herrscht immer noch das Primat des Verstandes. Bei der Suche nach Lösungen aktivieren wir unser Denken und erschliessen uns unsere Welt vor allem durch analytisches Denken: Wir verwenden analytische Methoden und Instrumente, um Talente zu typisieren, bewerten Mitarbeitende im Rahmen von Jahresendgesprächen numerisch oder nach Kategorien A bis D und teilen Kundinnen und Kunden fein säuberlich in Zielgruppen ein. Analytik und Messbarkeit sind uns vertraut. Dabei haben wir verlernt oder sind uns zu wenig bewusst, wie wir im Arbeitsleben die Kraft von Emotionen einsetzen.

Die universelle Sprache der Gefühle

Seit jeher dienen uns Menschen Emotionen als wertvolle Signale zur Welterschliessung. Die Forschung zeigt, dass unsere vielfältigen Gefühle auf eine kleine Zahl von lebenswichtigen Grundemotionen zurückgehen: Liebe, Freude, Lust, Interesse und Neugier; Angst, Panik, Wut, Zorn sowie Trauer. Gefühle wie Liebe und Freude schaffen Nähe und stärken unsere Abwehrkräfte, während Angst uns zur Vorsicht oder Vermeidung mahnt. Emotionale Zustände sind bedeutende Botschaften an uns selbst, die uns dabei helfen, im Leben zurechtzukommen. Eine emotionale Reaktion ist auch immer eine körperliche Reaktion.Leider besteht immer noch die Überzeugung, dass wir Gefühle von unserem Denken und Sprechen abtrennen können. Denken, Fühlen und Handeln sind jedoch neurologisch gesehen untrennbar miteinander verbunden. Wenn wir unsere emotionalen Signale unterdrücken, führt dies dazu, dass wir unsere eigentlichen Bedürfnisse überhören und vernachlässigen. So verlieren wir den Kontakt zu unseren Emotionen und damit zu uns selbst. Wir befinden uns dann nur noch im «Funktionsmodus».

Die Rolle von Emotionen in der Wahrnehmung und Entscheidungsfindung

Wenn wir unsere Emotionen unterdrücken, leiden nicht nur unsere Wahrnehmung und unser Denkvermögen, sondern auch unsere Innovationsfähigkeit. Wir neigen dazu, uns in altbekannten Mustern zu verfangen und uns von neuen Ideen abzuschotten. Tatsächlich basieren selbst vermeintlich rationale Entscheidungen auf emotionalen Bewertungen, die von Erfahrungen in unserem Gehirn beeinflusst sind. Diese Bewertungen erfolgen automatisch und beeinflussen unsere Handlungen. Das Belohnungs- und das Schmerzzentrum in unserem Gehirn bewerten Situationen und anstehende Entscheidungen ganz automatisch nach bereits gemachten Erfahrungen, die in unserem Gehirn abgespeichert sind. Die beiden Hirnzentren sind an allen Verarbeitungsprozessen bewusst oder unbewusst beteiligt und beeinflussen diese. Die emotional gefärbte Entscheidung oder Handlung wird entsprechend erst nachträglich durch rationale Argumente für die entscheidende Person und die Aussenwelt nachvollziehbar gemacht. Emotionen sind entscheidend, um mit der Komplexität der Welt umzugehen und ermöglichen uns schnelle Reaktionen sowie Orientierung in unserer Umgebung.

Emotionale Intelligenz als wichtige Führungskompetenz  

Die Verhaltensökonomie hat im Marketing die Bedeutung von Emotionen für Kaufentscheidungen längst erkannt. In der Führung hingegen wird Professionalität nach wie vor gleichgesetzt mit Zurückhaltung. Emotionen haben im Arbeitsleben nach wie vor kaum oder nur sehr selektiv Platz. Es hat sich in unserer Geschäftswelt eine Art emotionales Ideal entwickelt, welches man als «Maske der Coolness» beschreiben kann. Wir zeigen uns emotional distanziert oder gar emotional abgebrüht im Umgang mit uns selbst und anderen, obwohl wir vielleicht innerlich brodeln – vor Freude oder auch vor Ärger.

Der Begriff beziehungsweise das Konzept der «Emotionalen Intelligenz» wurde insbesondere durch den amerikanischen Psychologen und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman mit seinem Buch «Emotionale Intelligenz» von 1995 populär. Als die Bedeutung der Emotionen für die Arbeitswelt erkannt wurden, gab es immer mehr Studien und Erkenntnisse aus der positiven Psychologie und aus den Neurowissenschaften, die zeigten, wie die Fähigkeit einer Führungskraft, Emotionen zu verstehen und zu steuern, die Leistung und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden beeinflussen kann (u.a. Positive Leadership, Neuroleadership, etc.).

Ohne Selbstkenntnis keine emotionale Führung

Emotionale Führung erfordert zunächst ein hohes Mass an emotionaler Selbstkompetenz, sprich emotionaler Selbstklärung. Nur wenn ich als Führungskraft mich selbst und meine innere Struktur kenne, kann ich aus meiner Mitte heraus mit anderen in Verbindung treten und handeln. Erst wenn ich meine eigenen Werte, Bedürfnisse, Haltungen und Glaubenssätze kenne, kann ich ein Sensorium für meine eigene emotionale Verfassung, sowie diejenige meines Gegenübers entwickeln.

Die Bedeutung emotionaler Führungskompetenz in Veränderungsprozessen

In Veränderungsprozessen ist emotionale Führungskompetenz entscheidend. Als Führungskraft ist es wichtig, die Emotionen Ihrer Teammitglieder wahrzunehmen, angemessen damit umzugehen und ihre Bedeutung als Treiber oder Hemmnis für Veränderungen zu verstehen. Negative Emotionen sollten nicht als grundsätzlich schlecht betrachtet oder unterdrückt werden. Sie können ein Zeichen von Engagement und Vertrauen sein, da sie auf bestehende Probleme hinweisen. Indem Sie Ihren Mitarbeitenden in Veränderungsphasen Gehör schenken und ihre Kritik ernst nehmen, schaffen Sie psychologische Sicherheit. Dies kann dazu führen, dass kritische Teammitglieder zu Unterstützern des Vorhabens werden und aktiv an Lösungen mitarbeiten. Die Unterdrückung negativer Emotionen hingegen birgt das Risiko, dass diese sich im Untergrund ansammeln und zu negativen Energien führen.

Die transformative Kraft emotionaler Führung

Die Vorteile der emotionalen Führung sind erheblich: Mitarbeitende und Teams sind in der Regel produktiver und engagierter. Sie fühlen sich gesehen und wertgeschätzt, was ihre Arbeitszufriedenheit und ihr Commitment erhöht. Zudem kann es sogar positive Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben. Darüberhinaus sind emotional agierende Führungskräfte besser in der Lage, Konflikte zu bewältigen und Probleme effektiv zu lösen. Damit schaffen sie ein kooperatives Arbeitsumfeld. Besonders angesichts der hohen Komplexität und Dynamik in der heutigen Arbeitswelt ist emotionale Führung ein wichtiger Bestandteil einer modernen Unternehmens- und Führungskultur.

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